Viele Monate waren vergangen. Wir hatten inzwischen ein Haus draußen vor der Stadt gefunden. Mit Gaby zusammen waren noch vier Leute mit dahin gezogen. Alle waren Studenten. Gaby war allerdings die einzige, die arbeitete. Die anderen brauchten das wohl nicht. Jedenfalls war das für mich sehr angenehm. Immer war jemand da, wenn ich was wollte. Ich konnte sie auch alle ganz gut leiden. Bis auf den Bernd; der trampelte immer durch den Flur ohne zu gucken, ob ich nicht schon vorher dagewesen war. Nachts begab ich mich deshalb gerne mit Gaby raus. Sie fuhr zur Arbeit, ich schlug mich in die Büsche und machte die Lahnauen unsicher.
Ihr glaubt ja gar nicht, was für niedliche Katzen da wohnten. Mit den meisten hatte ich ein Verhältnis, bis sich der Chef einmal blicken ließ. Er erwischte mich, während ich gerade… Aber davon wollte ich gar nicht erzählen.
Ich hatte zwar viel Erfahrung mit der Verteidigung, aber dieser Chef war mir doch noch über. Er war um einiges älter und sehr viel schwerer. Ich zog also den Kürzeren und verschwand bei der nächsten Gelegenheit im Unterholz einer Kate, die dort stand.
Nun, zu den Mädels konnte ich nicht mehr. Chef streifte durch die Gegend und suchte mich. Also schlich ich auf Samtpfoten zurück zum Haus. Im Garten angekommen, setzte ich mich erst mal in die Beete. Was sollte ich bloß machen?
Da fiel mir ein, daß Gaby mal gesagt hatte: „Kater, wozu hab ich dich eigentlich? Hier rennen Hunderte von Mäusen rum und du fängst keine! Dich hab ich wohl zu gut gefüttert!“
Genau das ist eine Idee. Da ich schließlich nicht zurück konnte, begab ich mich auf die Jagd. Ist doch eine Kleinigkeit für einen Kerl wie mich! Es dauerte nur ein paar Minuten, bis es links von mir raschelte. Ich drehte mich vorsichtig um und entdeckte eine vorwitzige Maus, die sich Richtung Hecke begeben wollte.
Ein Satz und ich hatte sie! Ich setze meine Pfote auf den Schwanz und hob stolz meinen Kopf. Smmm machte es und die Maus schoß davon. Mit der Pfote hatte ich sie nicht festhalten können. Oh, damit hatte ich nicht gerechnet!
Na gut, dann eben die nächste. Aber es ließ sich gar nicht einfach an. Gaby hatte recht. Ich hatte es immer für unter meiner Würde empfunden, mich mit diesen kleinen Dingern zu befassen. Schließlich gab es jeden Tag gut zu fressen; warum also hätte ich mich anstrengen sollen.
Es dauerte fast eine Stunde, bis ich endlich eine Maus gefangen hatte. Nun ließ ich es nicht mehr darauf ankommen. Ein Haps und der Kopf war ab. Ohne Kopf würde diese Maus wohl nicht mehr laufen.
So trug ich beides, Kopf und Körper zur Treppe, die ins Haus führte. Dann begab ich mich wieder auf Pirsch. Ich war bis zum Morgen gut beschäftigt. Außerdem machte die ganze Angelegenheit auch noch Spaß.
Gegen sieben Uhr hörte ich aus der Ferne den bekannten Ton von Gabys Renault; leicht scheppernd rollte er über den Feldweg, um dann am Gartentor stehen zu bleiben. Das war die Gelegenheit. Ich spurtete durch die Bete und landete mit einem eleganten Sprung auf dem linken Söller, der die Treppe begrenzte. Naja, rechts konnte ich nicht drauf, da stand schon so ein breitköpfiger Kater aus Stein. Ich positionierte mich, die dieser Steinkollege da saß und starrte gerade aus in die Luft.
Gaby hatte inzwischen das Tor geöffnete und war wieder in den Wagen gestiegen. Sie rollte zwischen den Rabatten durch und hielt am Haus an. Dann schlug sie die Tür zu, lief zum Tor zurück und schloß es wieder ab. Dann kam sie den Weg zum Haus hoch.
Ich saß wie aus Stein gegossen und schielte wie der Kollege auf der anderen Seite Richtung Lahn. Ich rührte keinen Muskel. Gaby kam immer näher. Dann entdeckte sie mich.
„Hey, Kater, was machst du denn da? Sorgst Du für Harmonie und bewirbst dich um die Stelle des Torhüters? Das ist ja was ganz neues!“
Dann fiel ihr Blick auf die erste Stufe. Dort hatte ich meine Ausbeute aus dieser Nacht abgelegt. Sie schaute darauf und sagte erstmal keinen Ton. Dann ging sie in die Knie und begann zu zählen.
„… zwölf, dreizehn, vierzehn, fünfzehn, sechzehn, siebzehn! Na, das ist ja kaum zu glauben! Hast du die alle gefangen? Und geschlachtet? Und dann auch noch so aufgereiht? Kater, du bist ja ein ganz großartiger Jäger!“ Oh, mir schwoll die Brust. Ich reckte mich noch ein bißchen größer in die Morgenluft. Gabys Hand griff nach meinem Nacken. Dann strich sie mir übers Fell.
„Nein, einen so erwachsenen Kater kann ich nicht mehr hineintragen. Komm, mein Großer, jetzt gehen wir beide ganz stolz durch diese Tür. Das ist ja eine echte Leistung!“
Sehr majestätisch glitt ich vom Söller, stieg über meine Beute und begab mich zur Eingangstür. Selbstbewußt schritt ich mit Gaby hinein und legte mich, im Zimmer angekommen, auf eines der großen Sofakissen. Nach einer solchen Leistung konnte ich zufrieden einschlafen.
12 Jahre hat mich dieser tolle Kater durch mein Leben begleitet. Die Streiche seines Lebens sind ungezählt. Dann irgendwann hat er versucht, eine Straße zu überqueren. Er war immer schon der Meinung, daß die anderen warten müßten, wenn er die Bahn kreuzt. Doch einmal hat ein Auto nicht gewartet.
Friede seiner großen Katzenseele.