Rache ist Blutwurst

Am Sonntagabend fuhren wir zurück. Tief in der Nacht kamen wir wieder zu Hause an. Wir krochen beide totmüde von diesem anstrengenden Wochenende ins Bett und schliefen wie die Murmeltiere. Gaby bemerkte nicht einmal, daß ich gleich zu Anfang unter die Decke gekrochen war und mich zwischen ihren Beinen breitgemacht hatte.

Am nächsten Morgen saßen wir beim Frühstück; naja, ich hockte in meiner Kiste und leckte mir den Bart, während Gaby zwei Toastscheiben mit diesem feudalen Käse verspeiste – als es an der Haustür klingelte.

Gaby erhob sich und ging in den Flur. Ich schnupperte kurz einmal in die Luft, als die Türe sich geöffnet hatte, und wußte: Das war mein Feind Lothar.

Ein Satz und ich saß auf dem Schrank, der neben der Schlafzimmertür stand. Ganz weit hinten, möglichst nicht zu sehen. Hier wollte ich warten, was sich tat. Falls die Hunde schon wieder… Nun, hier oben war es jedenfalls viel sicherer als in meiner Kiste.

Gaby kam mit Lothar ins Zimmer und meinte recht kühl: „Da drüben habe ich schon deine Sachen zusammengestellt. Die kannst du dir nehmen, und dann geh bitte. Leute, die ihre Hunde auf meinen Kater jagen, zähle ich nicht zu meinen Freunden!“ Lothar ging durch das Zimmer, während ich mich vor Wut zitternd ganz an die Wand drückte. Gaby kam zwei Schritte hinter ihm her.

Plötzlich strich etwas an meinem Schwanz entlang. Ich hatte Gaby wohl doch nicht verbergen können, wo ich mich aufhielt. Noch mal strich die Hand über meinen Schwanz. „Ganz ruhig, mein Spatz!“ murmelte Gaby; dann ging sie weiter.

Lothar nahm seine Bücher aus der Ecke und packte sie in einen mitgebrachten Karton. Dann klemmte er sich diesen unter den Arm und drehte sich wieder um. Gaby ging einen halben Schritt beiseite, um ihn durchzulassen.

Da konnte ich meine Wut nicht länger bremsen. Lothar stand mit dem Rücken zu mir. Ich sprang mit einem gewaltigen Satz mit ausgefahrenen Krallen auf seine Schulter. Aber ich klinkte sie nicht richtig ein, um mich festzuhalten. Vielmehr ließ ich sie scharf und schneidend an seinem Rücken herunter schaben, während ich selbst zu Boden rutschte. Ich blieb für einen Moment in seinem Hosenbund hängen. Dann zog ich die Krallen ein, fiel auf den Teppich und schoß unter den Schrank. Das Ganze hatte nur Bruchteile von Sekunden gedauert.

Lothar schrie auf: „Dein Kater ist ja gemeingefährlich! Der gehört ja gekillt!“ Sein Gesicht leuchtete rot, der Karton mit den Büchern fiel zu Boden und er riß sich das in Streifen gerissene Hemd herunter. „Schau dir das an, was dieser tollwütige Kater mir angetan hat!“

Gaby machte ein ganz trauriges Gesicht. „Laß mal sehen!“ Lothar drehte sich um. „Ja, das war ganz sicher der Kater. Jedenfalls sind das – warte mal – ja, das sind genau 18 Kratzspuren, die du dir da eingefangen hast. Kater sind offensichtlich nachtragend! Vielleicht hättest du deine Hunde nicht auf ihn hetzen sollen!?“

Lothars Gesicht wurde noch röter. Ich bekam ernste Bedenken, ob er nicht als nächstes platzten würde.

Er ergriff sein Hemd, schleuderte es in den Karton mit den Büchern und stampfte zur Haustür, die er dann mit Gebrüll ins Schloß warf.

Gaby ging hinter ihm her, öffnete die Türe noch einmal, um sie dann ganz vorsichtig wieder zu schließen. Dann legte sie den Schlüssel um.

Zurück im Wohnzimmer hockte sie sich vor den Schrank und legte ihr Gesicht auf den Boden.

„Na, Kater, willst du nicht wieder hervorkommen. Der blöde Lothar ist weg.

Weißt du was? Das hast Du ganz hervorragend gemacht. Sollte der hier noch einmal auftauchen, dann kannst du ihm gerne mitten ins Gesicht springen. Meinen Segen hast du! Na, komm her, jetzt frühstücken wir zuende!“

Oh, war ich froh. Gaby war mir nicht böse. Aber ich hätte gar nicht anders gekonnt. Bei diesem fiesen Typen mußte ich mich einfach revanchieren.

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