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Stund‘ um Stunde, Tag für Tag
suche ich vergebens.
Immer wieder schau ich aus
nach dem Sinn des Lebens.
Umwelt, Mitwelt, Mensch und Mut
sind in weiter Ferne.
In Natur und Harmonie
lebt‘ ich ach so gerne.
.
Doch die Menschen, doch der Staat,
doch die Tradition
zwingt in Grenzen Dich und mich,
daß sich Müh‘ kaum lohnt.
Denn die Zeit vergessner Tage
schuf die heut‘gen Fakten,
die Dein Leben, Tag für Tag,
preßt in „Fall“ und Akten.
.
Nummern, Zahlen, Transparenz –
Leute mit und ohne
Ausweis, Nachweis: Vehemenz
nutzt Dir nicht die Bohne.
Bei dem Doktor bis Du „Fall“,
bei den Ämtern Akten,
Wirtschaftlich betrachtet sind
Zahlen harte Fakten.
.
Frag‘ Politiker einmal,
was sie Leben nennen,
und sie sagen Dir sogleich,
daß sie dieses kennen.
„Ja, mein Freund, das ist ganz leicht
für mich zu verstehen,
denn grad diesen Kernbereich
weiß ich zu bestehen!
.
Jeden Tag, da seh ich stündlich
Menschen stolz die Arbeit tun,
um nach arbeitsamem Leben
sich im Alter auszuruhn.“
Halt! – Du brachtest diese Frage
in ‘nem Wahlkampf an den Mann,
der – weil er die Stimme brauchte –
Dir nichts andres sagen kann.
Nimm das Radio, schalt es ein
– und dann wirst Du toben,
.
weil Du sang- und klanglos nun
wirst als Zahl verschoben.
Arbeitslos? „Nur zwei Millionen“,
sagt da Nürnberg nebenbei
und im Fernsehn glänzt leicht grinsend
Meister Frankes *) Konterfei.
.
Engagiert Dich Baum und Pflanze,
ziehst Du auf ‘ner Demo mit,
kommst ‘nem Panzer in die Quere,
gehst Du gleich ins Kittchen mit.
Doch dann bist Du zweifelsohne
Anteil einer Minderheit,
die den Aufwand gar nicht lohne,
Ausdruck großer Kindlichkeit.
.
Denn das wissen wir doch heute:
Bauen wir kein Kernkraftwerk,
bleibt die heiß geliebte Heimat
wirtschaftlich ein Gartenzwerg.
„Dann“, so sagte unser Kanzler
Schmidt und hob die rechte Hand,
„gehen rasch und ohne Zögern
Lichter aus in unserm Land!“
.
Zwar hat längst die Zeit gezeigt,
daß die Lampen diesem trotzten,
doch es sitzen noch im Knast,
die einst auf ‘nem Sternmarsch motzten.
Ja, wir sind ein Volk der Zahlen,
Rechnen unser Zwang;
zwischen Plus und Minus kriecht‘s
Leben seinen Gang
.
Zahlen, Fälle, Fakten sind
auch die Rauschgift-Toten.
Doch ist‘s nicht der Sinn des Staates,
Gründe auszuloten.
Hierfür gibt es ja ein Amt,
das sie zählt, die Leichen.
„Knappe Tausend dieses Jahr,“
meint man dort ausweichend.
.
Und gefragt, warum, sagt einer:
„Tja, das ist doch sonnenklar!
Hätten Sie‘s Gesetz beachtet,
lebten sie noch: s‘ist doch wahr?!
Rauschgift steht dick unter Strafe,
das weiß schließlich jedes Kind.
Also haben‘s nur genommen,
die Gesetzesbrecher sind.“
.
Der gute Mann kann nicht erwähnen,
denn hierfür sind die Zahlen rar,
daß Alkohol, das Gift der Gifte,
als Steuer unverzichtebar.
Echte Kohle wird auch bringen
blauer Dunst mit Nikotin:
„Lunten schaden der Gesundheit!“
Hier die Steuer – wo der Sinn?
.
Achtundachtzig Komma sieben
Prozent der Bevölkerung
brächten, wenn sie fleißig wären,
unsre Wirtschaft auch in Schwung.
Der letzte albern kleine Rest
Individualistik
stört doch eigentlich auch nur
unsere Statistik.
.
Bist Du nicht als Zahl zu brauchen,
sagst Du nur „Vielleicht?“
oder gar „Ich will nicht kuschen!“
hast Du nichts erreicht.
Dann lernst Du Gesetze kennen,
paragraphenschwer:
dann lernst Du den Staat erst kennen
und es geht nichts mehr.
.
Denn von Kindesbeinen an
lernen wir das Schweigen.
Und das Gros der Anpassung
tanzt den großen Reigen.
„Halt die Schnauze, guter Mann,
willst Du überleben;
pure Existenz sei Ziel,
klaglos anzustreben.“
.
Denn in diesem Meer an Gleichem,
Ozean der Stimmen,
stirbt jedes Ideengut,
schweigt sich aus der Wille.
Stumm sehn Dich Gesichter an,
blickst Du in die Runde.
Staat, es geht Dich an, was Du
hörst aus stillem Munde.
.
Denn wir alle sind der Staat,
nie sollst Du‘s vergessen!
Nie darfst Du im Traume nur
Dich mit uns je messen.
Selbstzweck bist Du nie gewesen,
nie ein Ding für sich.
Glaubst Du‘s trotzdem, dann bist Du
wirklich liederlich!
***
*) der damalige Chef des Arbeitsamtes (heute „Arbeitsagentur“)