Malen & Schreiben

Ich male. Weshalb tue ich das? Was male ich eigentlich? Warum male ich genau das?

Ich schreibe. Weshalb tue ich das? Was schreibe ich eigentlich? Warum schreibe ich genau das?

Ich male innere Bilder. Aber eigentlich sind es keine Bilder, es ist Wahrnehmung. Schon das Bild ist eine Übersetzung eines Bereiches, der sich dem Wort und letztlich auch der Darstellung entzieht.

Ein Bild sagt zwar mehr, als ein Wort dies in unserer Sprache auszudrücken vermag. Aber es umschreibt seinerseits auch nur, was letztlich durch seine Vieldimensionalität sich jeder bildlichen Darstellung entzieht. Ebenso, wie jede Übersetzung schon deshalb nicht vollständig sein kann, weil sie die Idiomatik der anderen Sprache nur unzulänglich erfasst. Gesten mögen kulturübergreifend sein – Worte sind es nicht. Ebenso wenig wie Bilder, die gegen Tabus verstoßen können oder Reize ausüben, die hinter der ursprünglichen Wahrnehmung überhaupt nicht gestanden haben.

Alles Wahrgenommene wird in der Schilderung durch den Künstler den eigenen Dogmen unterworfen. Der Betrachter oder Leser veranstaltet dann noch einmal dasselbe. Spätestens jetzt hat sich das Werk zu einem entscheidenden Teil von seinem eigentlich Ursprung und Sinn entfernt.

Ein Bild bewegt sich durch zwei Dimensionen – die Länge und die Breite. Durch Kenntnis von Zeichentechniken kann eine dritte Dimension simuliert werden, ist in sich aber bereits eine Mangel. Die Zeit, die wir als vierte Dimension bezeichnen, ist mit einem Bild nicht einzufangen.

Also beginnen wir, wenn wir uns mit einem sprachlichen oder plastischen Kunstwerk beschäftigen, mit einer Eigeninterpretation, die sich bemüht, mit unseren eigenen Bildern und Vorstellungen das Kunstwerk in einen Rahmen zu zwängen. Wir tun dies, um zu verhindern, die eigenen festen Grenzen zu verlassen, da wir uns außerhalb zutiefst verunsichert fühlen würden. Wir sind zwar einerseits neugierig auf Neues und Unbekanntes, fühlen uns aber weitaus wohler, wenn wir das von unserem gewohnten Platz aus machen können.

So zerren wir die fremde Wahrnehmung in einen uns bekannten und geläufigen Bereich, interpretieren sie in unserem Rahmen und analysieren sie, was sie letztlich zerstört. So wird aus einem Kunstwerk ein Scherbenhaufen, der keinen Rückschluss mehr auf die Ursprünglichkeit des Kunstwerkes erlaubt.

Wenn ich also male, dann tue ich das in der Absicht, meine inneren Bilder festzuhalten, denn ich kann nicht davon ausgehen, auf einen Betrachter zu treffen, der diese Anders-Welt mit meinen Sinnesorganen erfasst und sie interpretationsfrei im Raum stehen lässt.

In unserer wissenschaftlichen Gesellschaft bemühen wir uns beständig, verstehen zu wollen, was an Phänomenen auf uns eindrucksvoll wirkt. Bilder und sprachliche Kunstwerke, die über die Komplexität beider Gehirnhälften geboren werden, unterliegen damit der Gefahr, mit nur dem linken Gehirn, das fleißig analysiert, ohne den Gesamthintergrund berücksichtigen zu können, aus dem sozialen Zusammenhang gerissen zu werden. Indem wir den Künstler und sein Werk analysieren, demontieren wir ihn und stoßen ihn aus unserem sozialen Netzwerk; wir berauben ihn der emotionalen und gemeinschaftlichen Sicherheit und Fürsorge.

Trotzdem malt der Maler und schreibt der Schriftsteller. Beide erzählen Geschichten.

Gute Geschichten sind Führer durch ein mehrdimensionales Universum, in dem wir uns oft verloren fühlen und deshalb die Augen davor verschießen. Hier brauchen wir Hilfe, um uns in uns selbst orientieren zu können. Ein guter Führer verzichtet darauf, als Guru den Alleinvertretungsanspruch zu erheben, der seine „Jünger“ auf falsche Wege leiten kann. Er hat erkannt, dass schon das Beschreiten des Weges dem Ziel entspricht und das Ziel dem Weg (tao). Er lässt gehen und meldet sich nur vorsichtig an der einen oder anderen Kreuzung, um mit Gelassenheit eine eigene Entscheidung möglich zu machen. Diese akzeptiert der gute Führer, denn er weiß, dass jedes Wesen einen eigenen Weg geht, wie es auch sein eigenes Leben führt. Doch mit seiner Anwesenheit und Ruhe vermittelt er die lebensnotwendige soziale Nähe, die für ein in sich selbst ruhendes Leben unabdingbar ist.

Vermittelt also eine Geschichte oder ein Bild diese Ruhe und Gelassenheit, lächelt uns das Werk an und zeigt uns Möglichkeiten auf; so finden wir zu uns selbst.

Ich glaube, das ist mir wichtig. Deshalb male und schreibe ich. Ich halte damit Eindrücke fest, die sonst ob ihrer Flüchtigkeit in entscheidenden Momenten nicht zur Verfügung stehen würden. Da auch ich als soziales Wesen in einer gemeinsamen Welt lebe, teile ich diese Eindrücke. Es mag ja sein, dass Andere ähnliche Erscheinungen wahrgenommen haben. So treffen wir uns vielleicht einmal an irgendeinem Punkt im unendlichen Universum der zahllosen Möglichkeiten.

Schön zu wissen, warum ich male und schreibe.

2 Kommentare zu Malen & Schreiben

  1. Karin Rieper sagt:

    Liebe Gisa!
    Ich habe Deine gemalten Bilder auf mich wirken lassen und habe sie
    mit meinem ganzen Sein wahrgenommen. Meine liebsten Bilder sind:
    Blumenfee, Ariel der Luftgeist und „Avalon“ .
    Mit der „Blumenfee“ kann ich mich total identifizieren. Ich müßte noch
    mal genau überlegen, warum. Auf jeden Fall ist es eine Farbenpracht.
    Ariel der Luftgeist hat mich berührt und bei der „Avalon“-Serie ist es das
    „Blau“, das mich begeistert. Das dritte Bild mag ich besonders gern.
    Die Bilder mit den außerirdischen Gesichtern schrecken mich ab.

    Ich müßte mich täuschen, aber ist Deine Bildergalerie nicht viel umfangreicher?
    Warum sind nicht alle drin?

    Es grüßt Dich ganz herzlich,
    Karin

    • Redaktion sagt:

      Liebe Karin,
      um Deine Frage zu beantworten: da sind in der Tat noch sehr viele Bilder. Sie müssen für den PC / das Netz aber bearbeitet werden. Und das dauert ein bisschen 🙂
      Es freut mich, dass Dir die Bilder gefallen.
      Liebe Grüße
      Gisa

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