Es war wichtig, zu einem Clan zu gehören. Alle Mitglieder eines Clans, ob Mann oder Frau blieben bei ihrem Clan. Nur für den Geschlechtsverkehr wechselte der Mann vorübergehend nachts die Behausung, um dann wieder nach Rückkunft seine Aufgaben im Clan durchzuführen. Jeder Mann und jede Frau versorgten und erzogen die Kinder des eigenen Clans. Hier lernten Jungen und Mädchen das für ihre Zeit wichtige Wissen, hier fühlten sie sich für immer zu Hause und geborgen, hier fanden sie vom ersten Moment ihres Lebens Vertrauen und Heimatgefühl – einen Zustand, den niemand je im Leben aufgeben musste. Geschlechtliche Kontakte fanden zumeist in Nachbarclans statt; da jedoch nicht solch eine große Populationsdichte herrschte wie heute, dürften die verwandtschaftlichen Bande kreuz und quer gegangen sein.
Dies ist jedoch vermutlich kaum ein Fehler, auch wenn unsere gesellschaftliche Vorstellung in dieser Hinsicht Amok läuft und Inzucht behauptet. Wenn nicht gerade im eigenen Clan ein sexueller Kontakt stattfindet, was mehr wegen der Hilflosigkeit der / des betroffenen kindlichen Frau / Mannes ein psychologisches Problem sein würde, so ist auf der Kusinen-Ebene dies sicher kein Nachteil. Wenn wir heutzutage eine besonders gute Tierrasse züchten wollen, so kreuzen wir auch verwandtschaftlich enger verbundene Tiere, weil so erfolgreiche Gene weitergegeben werden können. Der „Inzucht-Kropf“ des Hochgebirges dürfte eher im Jodmangel begründet sein als im Kusinen-Verhältnis.
Auf diesem Wege trägt jeder Mann Sorge für die Kinder seiner Schwester, Mutter oder Kusine da er nicht der Besitzer einer Frau ist. Ebenso trägt jede Frau diese Sorge, ebenfalls für alle Kinder des Clans. Somit verteilen sich die Lasten auf viele Schultern, niemand ist überfordert, niemand überlastet.
Die religiösen Vorstellungen bezogen sich viel direkter auf das direkte Naturerlebnis: auf die Jahreszeiten, den Einfluss des Mondes und der Sonne auf die Einzelereignisse der Natur und auf das Bedürfnis, im Rahmen der Notwendigkeiten der Ernährung und des sicheren Aufenthaltes, des Ackerbaus und der Viehzucht grundsätzlich zu wissen, was im Jahresablauf als nächstes passiert.
Die alles liebende, alles versorgende Große Göttin ist der natürliche Bezug zur Natur, von der sich jeder bewusst als Teil fühlte und darauf ausgerichtet das Leben führte.
Natürlich sind diese Menschen keine Heiligen gewesen, auch sie hatten Auseinandersetzungsprobleme, eine Individualität, ein Streben und ein Sich-Erfüllen-Wollen. Doch entstehende Kontroversen wurden auf Diskussionsebene gelöst; solange besprochen und betrachtet, bis sich für jeden eine Lösung einfand. Da das Verhältnis sich auf Liebe, Harmonie und Zugewandtheit einer seit der Geburt vertrauensvoll aufgebauten Gruppe gründete; da sich für Tatendrang genug kreatives Material und schöpferische Überlegungen zur kulturellen Weiterentwicklung anboten – sind kriegerische Handlungen auf Grund der Rundumversorgung in sich ausgeschlossen.
In diesem Gesellschaftsgefüge ist Isolation kein Thema, denn es besteht eine lebenslange Bindung und Einbettung; geistige Schwächen wurden als Nähe zur Göttin definiert und somit als heilig betrachtet. Familienbande rissen auch mit dem körperlichen Tode nicht ab. Vielmehr wurden die Toten in direkter Nähe des Clans beerdigt, da sie Teil der Familie waren und vermutlich bald wiedergeboren wurden, um dieser Familie weiterhin zuzugehören, sich und sie weiterzuentwickeln. Die Stellung der Toten in den jeweiligen Gräbern spricht für diese Annahme. Grabbeigaben bezogen sich auf diese Vorstellung, im Gegensatz zu den Krieger- und Häuptlingsgräbern späterer Zeiten, in denen Waffen, Frauen und Kinder (die vermutlich mit dem Familienoberhaupt ableben mußten) gefunden worden sind, so dass der „arme“ Häuptling in der jenseitigen Welt nicht ohne Personal dastand.