Vor unendlich langer Zeit…
„Ich habe mich über viele Jahreszeiten hinweg für alle eingesetzt. Nie hat es mir jemand gedankt. Es war immer nur selbstverständlich, dass ich das tat. Nun schmerzen meine Knochen, ich kann die Arme nicht mehr heben und es ist, als ob mich alles zu Boden zöge.“
Sepia, die Frau, die diese Worte geäußert hat, verfügt über eine schlanke Figur, ihr Kopf ist umgeben von dunklem, leicht meliertem Haare. Sie sitzt mit zusammengeschlagenen Beinen verkrampft am Feuer und starrt in die Flammen. Niemand wagt es, sie anzusprechen. Sie wirkt abweisend. Sie hat in der vergangenen Zeit jede anstehende Arbeit gesehen und auch erledigt, hat alle anderen freigehalten davon. Um der Harmonie willen hat sie das alles auf sich genommen. Jetzt ist sie an der Grenze ihrer Schaffenskraft angekommen.
Evania nimmt sie liebevoll in den Arm, streichelt sie und erzählt ihr eine Geschichte:
„Der Regenbogenfrau unseres Clans ging es auch einmal wie dir. Um wieder gesund zu werden, begab sie sich auf eine Sternenreise. Sie bat die Großen Helfer, ihr beizustehen. So tauchten sie in ein unendlich großes Meer, das sich in schillernden Farben erstreckte. Viele unterschiedliche Tiere bewohnten diese Gegend, am Horizont zeigte sich ein Riff. Dorthin wendeten sie sich.
Das Riff sah wunderschön aus. Viele Pflanzen streckten sich in das umgebende Wasser und wiegten sich in den Wellen, die um die Felsformationen immer wieder entstanden. Über dem Grund unter ihnen schwamm und schimmerte etwas in eigenartigen Farben, die sich sofort an den sich verändernden Hintergrund anpassten.
Es war ein Tintenfisch, der nicht auffallen wollte. Als er ein Weibchen entdeckte, stieß er einen Schwall dunkler Flüssigkeit aus und schwamm pfeilschnell auf seine Auserwählte zu. Dort zauberte er erneut die tollsten Farben auf seine Haut; diesmal um besonders attraktiv zu erscheinen. Er verausgabte sich vollständig, um in Harmonie die Verbindung mit der Geliebten einzugehen.
Dieses Liebesspiel sah phantastisch aus, kostete den Tintenfisch-Mann aber alle Kraft und er sank schlussendlich erschöpft und ohne jede Lebenskraft auf den Grund des Meeres.
Die Regenbogenfrau verstand, was ihr die Großen Helfer zeigen wollten. Es war sicher richtig, sich für die Familie einzusetzen. Es wäre jedoch besser, dies so zu machen, dass auch noch für spätere Zeiten die Lust am Leben erhalten bleibt. Genau das hatte sie vernachlässigt: sich zu freuen, sich einfach einmal gehen zu lassen, zu tanzen und sich von anderen unterstützen zu lassen. Sie wusste, dass wollte sie ändern.“
Während Evania diese Geschichte erzählt, entspannt sich Sepia und beginnt wieder Luft und Kraft zu schöpfen. Am Ende der Erzählung kann sie sich lächelnd ihren Mitmenschen zuwenden, um mit ihnen den Abend zu genießen.