Die domestizierte Göttin

Autorin: Gisa
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Als Gott noch eine Frau war, also vor ca. 5-6 tausend Jahren, lebten die Menschen in Augenhöhe. Das „Wie“ könnte sich erklären durch die Lebensgestaltung heute noch lebender indigener Völker. Beziehen wir uns jedoch auf unsere heutige zivilisatorische Zeit, so ist in den vergangenen Jahrtausenden viel passiert, was einen Rückschluss auf unsere eigene Vergangenheit schwierig gestaltet.

Sagen und Märchen transportieren viel altes Wissen. Doch hat dieses Wissen bereits einige Filter patriarchaler Natur durchlaufen. Deshalb gehe ich gerne zurück zu den Schöpfungsmythen, die oft erklären, was der Großen Göttin im Laufe der Zeit widerfahren ist.

In der griechischen Mythologie wird Gaia (auch Ge genannt, dt. Gäa) als die personifizierte Erde verstanden. Die Völkerschaften, die wir heute als „Griechen“ bezeichnen, sind Menschen, die die in Griechenland lebende Urbevölkerung überrannt und übermannt haben, um sich dann mit ihnen zu vermischen. Sie fielen in eine matriarchale Struktur mit ihren patriarchalen Vorstellungen ein, um diese umzugestalten – notfalls mit Gewalt. So wurde aus der Göttin eine Gaia, die auf die Erde reduziert war. Gaia bedeutet „die Gebärerin“. Damit entspricht sie im Verständnis der Eva des Alten Testamentes. Im Römischen Sagengeflecht wird sie Tellus genannt.

Wir müssen also davon ausgehen, dass viele Eigenschaften der Großen Göttin dieser bereits unter dem Pseudonym „Gaia“ abgesprochen wurden.

Alle auftauchenden patristischen Eroberer reduzierten erst einmal die Große Göttin in ihrer Kompetenz, indem sie ein Pantheon, also einen Götterhimmel, schufen. Diesem stand ein dominanter Gott vor, der über alle anderen herrschte. Um diesem die Leitung zu ermöglichen, bekämpfte er vorherige Götter und Titanen, um mit dem Sieg eine solide Grundlage für seine dann eintretende Schreckensherrschaft zu schaffen.

Bei Hesiod entsteht Gaia aus dem Chaos. Sie hat aber bereits Geschwister: Tartaros (die Unterwelt), Eros (die begehrliche Liebe), Erebos (die Finsternis) und Nyx (die Nacht). Teilweise wird auch noch Hydros (das Wasser) hinzugerechnet. Mit Uranos zusammen gebiert Gaia die Titanen, die Zyklopen und ebenso die Hektocheiren.

Im Matriarchat war Vaterschaft belanglos. Schon die Erwähnung eines Vaters in der Mythologie weist auf den Bruch hin, der nun die gesellschaftliche Struktur umgestaltet. Im Clan ist die Mutter matrilokal (ortsbestimmend) und gibt die Verwandtschaftslinie bekannt (matrilinear). Es beziehen sich also alle Kinder auf die Mutter, die feststeht. Die Mutter lenkt und verwaltet den Clan, ihre männlichen Verwandten arbeiten ihr dabei zu.

In dem Moment, wo Vaterschaft in der Mythologie benannt wird, um dann die folgenden Ereignisse zu bestimmen, hat die Große Göttin ihre Kompetenz verloren. Denn nun können Männer die Welt gestalten. Spätestens ab diesem Zeitpunkt ist weibliche Göttlichkeit orientiert an diesen Ereignissen und bezieht sich nur darauf. Selbständige Aktivitäten können wir als ausgeschlossen annehmen. Zurück zur griechischen Sagenwelt.

Vater Uranos (der Himmel) mag seine Kinder nicht und verbannt sie zu Gaia unter die Erde (Gaia = Erde, speziell zu Tartaros). Nun ist Gaia gezwungen, die Kinder gegen den Vater aufzuhetzen (erste Kriegshandlung). Die Große Göttin wird hier um ihre gestaltende Kompetenz gebracht. Sie braucht „Männer“, um überhaupt im Weltgeschehen mitzumischen. Sie muss es mit List machen, denn direkte Wege sind ihr versperrt. Seit dieser Zeit wird der Großen Göttin Heimtücke angedichtet.

Sie bringt aus ihrem Inneren Adamant hervor (sehr hartes Metall). Aus diesem Metall gestaltet sie eine gezähnte Sichel, mit der ihr Sohn Chronos (die Zeit), als einziger zum Widerstand bereit, seinem Vater den Penis abschneidet, als dieser sich auf Gaia stürzen will. Uranos blutet. Er blutet so stark, dass dieses Blut Gaia befruchtet und sie deshalb die Giganten (große Krieger, mit Waffen bestückt), die melischen Nymphen (Baumnymphen, Esche; heiratsfähige junge Mädchen) und die Erinnyen (Rachegöttinnen)  gebiert.

Hier ist die erste Übertragung der heilsamen Blutung von der Frau auf den Mann zu beobachten. Bis dahin war Blut etwas, was sich mit der reinigenden Fähigkeit der Großen Göttin und ihrer Töchter verband. Weibliches (Monats-)Blut war heiliges Blut. Nun konnte auch ein Gott bluten und (trotz Verletzung) zum Erzeuger werden.

In der hier entworfenen Götterwelt wird deutlich, dass die allgemeine schöpferische Kompetenz in Einzelteile zerlegt wird. Der Himmel wird männlich, dort scheint die Sonne, die nun auch männlich wird. Die Erde ist weiblich, mit ihr wird der Mond mit weiblichen Attributen ausgestattet. Tartaros, die Unterwelt, ist dunkel; ursprünglich die Geburtshöhle wird sie nun zum Ort der Verdammnis.

Auch wird der Göttin unterstellt, das erste Kriegswerkzeug (Adamant) und die ersten Krieger (Giganten) produziert zu haben. Sie ist verantwortlich für die Zeit (Chronos) und die Rache (Erinnyen). Sie hat auch Uranos hervorgebracht, womit der alte Mythos von der Göttin und ihrem Helden genutzt wird, um das nun folgende Patriarchat zu begründen. Aus dem Helden wird der erste der Götter (Zeus). Mit ihm kommt das von nun an dominierende männliche Element in die Welt. Alles vorher Bestehende wird domestiziert und dieser männlichen Idee unterworfen.

Dass etwas schön und angenehm ist, geht aus der Mythologie der patriarchalen Vorzeit nicht hervor.

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