Versuch eines Portraits und warum dies kaum möglich ist
Irgendwann vor 6-7 Tausend Jahren, vermutlich aufgrund einer klimatischen Katastrophe, entwickelt sich im Grenzbereich einer Gegend zwischen Europa und Asien eine Gesellschaft, die durch Hunger, Durst, Landmangel und Bevölkerungsdruck gezwungen war, neue Wege zu gehen. Männer hatten sich an die Spitze landloser Gruppen gesetzt. Harte Gesetze wurden geschaffen, um alle Mitglieder der Gruppe zu zwingen, bei der räuberischen und gewaltsamen Landnahme in entfernteren Gegenden mitzumachen. Dies verstieß zwar gegen alle bis zu diesem Zeitpunkt gültigen Vorstellungen, schien den führenden Männern aber die einzige Lösung. Ein Volksstamm bildete sich, der später als Kurgan-Krieger und unter anderen Namen (Arier, Indogermanen, Sumerer etc.) in die fruchtbaren Gebiete weiter im Westen einfiel und sich die dortigen Völker untertan machte. Hierbei wurde mit Mord und Totschlag der absolute Eroberungswille durchgesetzt. Soweit die geschichtlichen Voraussetzungen.
Im Bereich des „fruchtbaren Halbmonds“, Mesopotamien und dem Zweistromland, lebten Menschen, deren religiöse Basis sich um ihre Urmutter Inanna drehte. Wie alle anderen matriarchal organisierten Gruppen, hatten sie all ihr Tun und Handeln um diese Vorstellung von harmonischem Leben in und mit der Natur angelegt. Sie lebten vermutlich in Langhäusern, die jeweils einem Clan zur Verfügung standen. Ein Clan war an der Mutter orientiert, also matrilokal; die Menschen kannten ihre Mutter und leiteten daher ihre Abstammung von dieser ab, waren also matrilinear orientiert. Da Frauen die Kinder bekamen und ein Vater nicht thematisiert wurde, gestaltete sich das Clanleben um die Mütter und Großmütter, Schwestern und Töchter. Sie bezogen ihre zentrale Wichtigkeit aus ihrer Nähe zur Allmutter, die Himmel und Erde mit ihrem heiligen Partner geschaffen und unterhalten hatte. Die Jahreszeiten gaben die Rhythmik vor, an der sich die Abläufe ausrichteten. Immer wurde dies im Zusammenhang mit der Allmutter Inanna gesehen und verstanden. Sie war die Lebensspendende, aus der alles heraus das Leben erblickte, und zu der alles zurückfand, wenn der Kreis des Lebens sich geschlossen hatte, um irgendwann wieder geboren zu werden. Alle Wesen lebten in dieser Rhythmik, alle fühlten sich vertrauensvoll versorgt und behütet. Die Natur gab reichlich, die Menschen wussten mit ihren Möglichkeiten gut umzugehen, denn Allmutter Inanna stand für Sicherheit, Nahrung, Gesundheit, Glück und Zufriedenheit. 4-5 Stunden Arbeit täglich reichten, in dieser Gesellschaft des Gebens und Schenkens alle Mitglieder zu versorgen. Göttliches und Irdisches waren in Einklang, alle Wesen Teil dieses Einklangs und die Göttlichkeit in jeder Pflanze, jedem Erdkrumen und jeder Wolke zu erkennen. Wie die Mutter auf Erden das Zentrum der Einheit lebte, war die allmütterliche Göttin dies im Großen. So wurden Mutter und Allmutter geehrt und alle reagierten auf sie mit höchstem Respekt. Feste wurden gefeiert, Arbeit mit Gesang und Tanz begleitet – alles zu Ehren von Allmutter.
Sicherlich gab es auch Krankheit und Tod. Da sich die Menschen jedoch als Gruppe verstanden, die immer und unter allen Umständen zur Allmutter zurückkehrten, wurden diese Ereignisse als gegeben akzeptiert. Die innere Sicherheit und das Vertrauen in die Göttlichkeit garantierten einen heil(ig)en Weg. Die Doppelgottheit wurde von männlichen und weiblichen PriesterInnen im irdischen Leben vertreten, jeweils in eigenen Bereichen für jeweils weibliche beziehungsweise männliche Anliegen. Da sich die Menschen als Teil der Schöpfung verstanden (also weniger als Individuen, mehr als Gruppenmitglied), waren Naturereignisse ebenfalls Teil ihres Seins. Es ist zu vermuten, dass gute Planung und Bevorratung, solide Wohnungen und Silos, und in der Natur beobachtete Weisheit für ein ausgeglichenes Allgemeinwesen sorgen konnten.
Eine Namensgebung Inannas ist vermutlich erst in späterer Zeit erfolgt, als dies durch weitere Göttlichkeiten notwendig wurde. Dies erfolgte wahrscheinlich mit Eintreffen der nomadisierenden Kampf-Krieger, die eine grundlegend andere Gesellschaftsform entwickelt hatten, welche Besitz und Eigentum zum höchsten Gut erklärt hatte. Diese Eroberer führten neue männliche Götter ein, denen sich zu unterwerfen zwingend war. Die Parität, die vorher im göttlichen wie im menschlichen Bereich gegolten hatte, verschob sich zugunsten eines Obens (Kämpfer) und Untens (Ureinwohner). Inanna verlor ihre die Welt schaffende Bedeutung und wurde zur Fruchtbarkeitsgöttin degradiert. Außerdem bekam sie einen weiteren, diesmal schwarzen Aspekt, der sie in die Unterwelt verbannte. Ihre vormals positiv empfundene Verbundenheit mit Tag und Nacht, Weite, Himmel und Erde, versank im Untergrund. Es entstand eine „böse“ Hölle aus der vormals schutzbietenden Höhle (Gebärhöhlen, Heilungshöhlen, Menstruationshöhlen…). Inanna, die vermutlich das göttliche Vorbild für die jüdische Lilith bildet, verlor ihre Flügel (Symbol für geistigen Höhenflug und Weisheit), aus ihren haltgebenden Krallenfüßen (Anlehnung an den Vogelfuß) wurden zierliche, instabile Beinchen. Ihr Körper reduzierte sich auf die Darreichung der Brust und die Aufnahme des nun thematisierten männlichen Samens im Hochzeitsbett mit den Gottkönigen (Gilgamesch etc.), den Helden der neuen Reiche. Sicherlich konnten die neuen Herren nicht auf die alte Göttin verzichten. Aber ihr Stellengrad sackte ab in die dritte oder vierte Reihe hinter Sonnen- und anderen herrschaftlichen Göttern, die nun als Zeus ihre Kinder via Kopf gebaren. Vergleichsweise Wandlungen lassen sich in allen Kulturen des europäischen Raumes sowie des Mittelmeerbereiches nachweisen. Da die Eroberer sämtlichst aus einer Kerngruppe kamen, finden sich interessanterweise auch viele sprachliche Synonyme, die nahelegen, dass hier unisono „arisch“ verfahren wurde. Die Bibel, die von jüdischen Priestern vorgelegt wurde, zeigt dies bis heute deutlich (Rippe des Mannes), denn jüdische Volksgruppe stammt ursprünglich aus Babylon, also genau aus diesem Zweistromland, das im Laufe der Jahre Zarathustra zum Religionsgründer hatte.
Erst mit Eroberung und Überwältigung wurde es für Herrscher notwendig, ihre Heldentaten und damit ihren Herrschaftsanspruch in Stein zu meißeln. Für die vormals lebenden matriarchalen Gesellschaften war dies überflüssig, denn was alle wussten, musste nicht mit Hammer und Meißel dokumentiert werden. So wurden die Schrift und das Bildnis/Monument zum Instrument der herrschaftlichen Konsolidierung. Überlieferungen, die wir aus dem Sand heutiger Wüsten kratzen können, datieren zum Teil aus der Halaf-Kultur (5500–5000 v.u.Z.), die vor allen Dingen Gebrauchskeramik und Figurinen nackter Göttinnen aufweisen, die kaum zu interpretieren sind.
Gisa, Okt. 2011 Mögliche Bilder: Vermutlich einziges Inanna-Bild: http://de.wikipedia.org/wiki/Lilith Was war vor den Pharaonen?, Doris Wolf Lilith, die erste Frau Adams, Vera Zingrem www.matriarchat-patriarchat.de Figurinen: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Halaf_figures.JPG&filetimestamp=20100722075521